Mehrere Medien berichten aktuell über eine Anklage von Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof in den Haag (IStGH). Die Anklageschrift mit dem Titel „Der Planet gegen Bolsonaro“ würde von der österreichischen Klimaschutzorganisation Allrise eingereicht. Nach Allrise stellt die systematische Abholzung des Amazonas und die aktive Schwächung von Gesetzen und Behörden welche sich für die Stärkung der Landwirtschaft einsetzen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 IStGH-Statut dar. Dies ist nicht die erste Klage welche gegen Bolsonaro vor dem IStGH eingereicht wurde. Bereits im Januar hatte der brasilianische Häuptling Raoni Metukire dem Präsidenten ebenfalls „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen.

Doch unter welchen Voraussetzungen ist eine Anklage vor dem IStGH überhaupt möglich? Und könnte es auch anderen Staatschefs passieren, eines Tages angeklagt zu werden?

Der IStGH übt seine Gerichtsbarkeit grundsätzlich über die sogenannten vier Kernverbrechen des Völkerstrafrechts aus. Diese sind der Völkermord (Art. 6 IStGH-Statut), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7 IStGH-Statut), Kriegsverbrechen (Art. 8 IStGH-Statut) sowie das Verbrechen der Aggression (§ 13 VStGB). Dies gilt jedoch grundsätzlich nur für die Mitgliedstaaten des Römischen Statuts. Diese sind keinesfalls gleichzusetzen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern es handelt sich um 123 Staaten auf der ganzen Welt.

Das am ehesten einschlägige Kernverbrechen ist das Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 IStGH Statut. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind Massenverbrechen, die gegen die Zivilbevölkerung begangen werden. Die Zivilbevölkerung ist dabei jede Personenmehrheit, die durch gemeinsame Merkmale verbunden ist, welche sie zum Ziel eines Eingriffs machen. Es muss nicht die gesamte Bevölkerung eines Staates oder Territoriums von dem Angriff betroffen werden. Es ist dabei wichtig, dass die Opfer Schutzbedürftig sind, da sie infolge staatlicher, militärischer oder sonst organisierter Gewalt wehrlos sind. Ein Verfahren wegen Art.7 IStGH-Statut erfordert auf Seite des objektiven Tatbestands eine Verwirklichung einer der in Art. 7 I IStGH-Statut beschriebenen Handlungen. Diese müssen einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung darstellen. Auf der subjektiven Seite braucht der Täter einen diesbezüglichen Vorsatz und Kenntnis der objektiven Voraussetzungen der Gesamttat.

Da die meisten Einzeltaten des Art. 7 IStGH-Statut dem Willen der Staatsoberhäupter oft schwer nachzuweisen sind (beispielsweise vorsätzliche Tötung nach lit.a), Versklavung nach lit.b), und Folter nach lit.g) des Art.7 IStGH-Statut), kommt wohl meist Art. 7 I lit.k) in Betracht. Dieser stellt unter Strafe, wenn unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursacht werden. Dies können also auch die Behinderung von Klimaschutzmaßnahmen die zum Wohle des Planeten und der Menschheit erlassen wurden sein, wie im Falle Bolsonaros.

Doch es gibt auch andere Staatsoberhäupter, dessen Taten durchaus unter diesen Artikel fallen könnten. Bereits 2014 berichteten die Medien, dass Koreas Machthaber Kim Jong UN in seiner Regierungsform auch mit Folter, Aushungerungen und Exekutionen arbeiten würde. Diese Straftaten sind alle nahezu namentlich in der Auflistung des Art. 7 IStGH-Statuts genannt. Ein Verfahren vor dem IStGH wäre also grundsätzlich möglich, da Nordkorea das Römische Statut aber nicht ratifiziert haben, ist dieses für sie quasi „nicht in Kraft getreten“ und ein Verfahren vor diesem nur mit erschwerten Bedingungen möglich. 

Ähnliches gilt auch für den syrischen Präsidenten Baschar al Assad. Die Niederlande hatten bereits versucht diesen wegen Menschenrechtsverletzungen vor dem IStGH zur Verantwortung zu ziehen. Das Verfahren scheiterte am Veto Russlands. Denn der IStGH kann bei Nicht-Mitgliedstaaten nur dann ermitteln, wenn der UN-Sicherheitsrat ihn dazu auffordert. Doch mangels eines einstimmigen Beschlusses, konnte der IStGH nicht ermitteln. Nun wird versucht, al Assad über die Anti-Folter-Konvention vom 1984 zur Rechenschaft zu ziehen.

Russlands Präsident Putin macht aktuell Schlagzeilen damit, dass er den IStGH verlässt. Somit müsste man hier wie auch bei al Assad eine Überzeugung des UN-Sicherheitsrates erreicht werden um Ermittlungen vor dem IStGH zu ermöglichen.

Im Falle der Führer der al-Qaida stellt sich die Frage, wie nicht-staatliche, sondern transnationale Akteure zu behandeln sind. Bei derartigen Personen ist wohl jeweils nach dem Einzelfall der Nationalität der Täter und der Staaten zu beurteilen, wie eine Verurteilung erfolgen kann.

 

https://www.tagesspiegel.de/politik/un-bericht-zu-nordkorea-die-grausamkeiten-des-kim-jong-un/9831648.html

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/prof/OEF008/Vertiefung_Voelkerrecht/Voelkerrecht_VI.pdf

https://www.auswaertiges-amt.de/blob/203446/c09be147948d4140dd53a917c2544fa6/roemischesstatut-data.pdf

https://www.deutschlandfunk.de/buergerkrieg-in-syrien-niederlande-wollen-assad-regime-vor.795.de.html?dram:article_id=48630