Das Landgericht Coburg verneint dies in seinem Urteil vom 06.10.2020 und weist die entsprechende Klage ab.

Die Klägerin hatte mit notariellem Kaufvertrag vom 13.12.2018 ein Wohnanwesen von der Beklagten gekauft. Dass in diesem Anwesen 1998 sowohl eine Frau als auch ein Kleinkind ermordet wurde, erfuhr die Klägerin erst Ende 2019 und hätte sie, laut eigenen Angaben, am Kauf des Anwesens gehindert.

Auf Grund dessen erklärte sie am 13.12.2019 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB gegenüber der Beklagten, unter Hinweis auf eine generelle Aufklärungs- und Hinweispflicht derartiger psychisch belastender Ereignisse. Die Beklagte sei auch ohne eine entsprechende Nachfrage zur Aufklärung verpflichtet gewesen, habe dies jedoch aus Arglist verschwiegen, um die Klägerin zu täuschen.

 

Das Landgericht Coburg sieht das anders: Eine generelle Hinweispflicht auf derartige Ereignisse, ohne Nachfrage des Gegenübers, sei zwar grundsätzlich annehmbar, jedoch nur hinsichtlich derjenigen entscheidungserheblichen Umstände, über die eine Aufklärung nach Treu und Glauben redlicherweise im Rechtsverkehr gefordert werden könne.

Auch sei diese Offenbarungspflicht zeitlich begrenzt, da die Ereignisse mit Verstreichen der Zeit an Bedeutung verlören.

Vorliegend lagen zwischen dem Verbrechen und dem Kauf des Anwesens durch die Klägerin über zwanzig Jahre. Eine Aufklärungspflicht oblag der Beklagten somit schon gar nicht mehr.

 

Zudem hat die Beklagte ihrerseits erst zwei oder drei Jahre nachdem sie das Anwesen 2004 erwarb von dem Doppelmord erfahren und trotz dessen noch über zehn Jahre selbst darin gewohnt. Dementsprechend war die Vorgeschichte des Anwesens für die Beklagte nicht derart wichtig, dass ihr eine arglistige Täuschung vorzuwerfen sei. Sie musste nicht davon ausgehen, dass die Klägerin das Anwesen in Kenntnis des Verbrechens nicht erworben hätte.

 

Ähnlich entschieden hat bereits das OLG Hamm mit Urteil vom 20.01.2000.

Die Klägerin wehrte sich hier zwar nur gegen die ehemalige Nutzung ihres erworbenen Hauses als Swinger-Club, das OLG Hamm verneinte jedoch in derart gelagerten Fällen schon die grundsätzliche Pflicht der Beklagten ungefragt über die Vorgeschichte des Hauses aufzuklären. Es sei nicht Aufgabe des Verkäufers über Nachteile der Kaufsache zu informieren.

 

Eine Offenbarungspflicht kann damit wohl lediglich hinsichtlich objektiv feststellbarer Mängel und Altlasten bestehen, die eine Wohnraumnutzung auch tatsächlich einschränken. Alles was darüber hinaus geht und lediglich die Vorgeschichte des Hauses betrifft, kann nicht hierunter fallen, denn wer entscheidet denn schon, welche Ereignisse für wen psychisch belastend sind?

Die Spanne zwischen der ehemaligen Nutzung als Swinger-Club und einem Doppelmord ist wohl doch recht hoch anzusiedeln.

 

[LG Coburg, Urteil vom 06.10.2021 – 11 O 92/20; OLG Hamm, Urteil vom 20.01.2000 – 22 U 122/99.]