Volkswagen versucht in allen Zivilprozessen, bei denen betrogene Dieselbesitzer gegen den Konzern und die Verantwortlichen vorgehen, sich als ahnungsloses Opfer darzustellen. Es wird behauptet, dass man von dem Dieselbetrug nichts gewusst habe, jedenfalls nicht die vertretungsberechtigten Organe. Als Pontius Pilatus des Volkswagenkonzerns wäscht Martin Winterkorn bis heute seine Hände in Unschuld und das, obwohl die Staatsanwaltschaft genau deswegen bereits Anklage gegen ihn erhoben hat. Zwar ist das Verfahren noch nicht eröffnet und ein Urteil noch nicht gesprochen. Entscheidend wird sein, was im Mai 2014 sich ereignet hat. Denn in seinem „Wochenendkoffer“, den Martin Winterkorn gewöhnlich freitags zum Aktenstudium mit nach Hause nahm, wurde er eindringlich davor gewarnt, dass die Betrügereien demnächst in den USA enttarnt würden. Sein damaliger Vertrauter, Bernd Gottweis, soll das brisante Papier noch mit einem leuchtenden Post-it-Aufkleber versehen haben. Wenn das stimmt, hat Martin Winterkorn sich schon deshalb schuldig gemacht, weil er im Anschluss daraufhin nichts unternommen hat und Betrugsdiesel weiterhin verkauft wurden (mal abgesehen davon, ob er nicht schon seit 2007 Kenntnis hatte, wie gemeinhin angenommen wird).
Martin Winterkorn hat sich hierzu noch nicht geäußert, obwohl ihn mehrere leitende VW-Mitarbeiter gleichermaßen belasten.
Was macht VW? Wir haben den Eindruck, dass Volkswagen hinter den Kulissen mit Martin Winterkorn einen Deal gemacht hat und ihn von sämtlichen zivilrechtlichen Inanspruchnahmen nicht nur freistellt, sondern auch die Anwalts- und Gerichtskosten trägt. Es sieht so aus, dass VW genau denjenigen schützt, der den Konzern in die größte Krise seiner Geschichte geführt hat. Nach herkömmlichem Rechtsverständnis wäre in so einem Fall in sämtlichen Rechtsangelegenheiten vorsorglich der Streit zu verkünden und es wäre sein Vermögen einzuziehen. Winterkorn scheint die beste D&O-Versicherung zu haben. Der Konzern täte besser daran, die Sache ernsthaft aufzuarbeiten.