Flieht ein Verkehrsteilnehmer mit seinem PKW vor einem Streifenwagen, um einer Polizeikontrolle zu entgehen, kann dies den Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens erfüllen. Das hat das Landgericht Osnabrück entschieden.
Angeklagt war ein zur Tatzeit 20 Jahre alter Mann. Er fiel einer Polizeistreife durch seine Fahrweise auf. Der Angeklagte hatte jedoch nach eigenen Angaben mit einem Freund gewettet, dass er sich nicht erneut von der Polizei anhalten lassen werde, nachdem er schon einige Tage zuvor kontrolliert worden war. Der Angeklagte fuhr deshalb mit hoher Geschwindigkeit durch den Ort davon. Obwohl der Streifenwagen bis auf 130 km/h beschleunigte und Anhaltesignale gab, mussten die Beamten schließlich die Verfolgung abbrechen, um keine unbeteiligten Dritten zu gefährden. Kurze Zeit später konnte die Polizei jedoch das Fahrzeug und damit auch den Angeklagten ausfindig machen und zur Rede stellen.
Die Staatsanwaltschaft erhob aufgrund seiner Flucht Anklage gegen den jungen Mann beim Amtsgericht. Dieses sprach den Angeklagten im Sommer 2020 des verbotenen Kraftfahrzeugrennens und der Straßenverkehrsgefährdung schuldig. Es erlegte ihm unter Anwendung von Jugendrecht eine Geldauflage von 1.000,00 € auf und verpflichtete ihn, an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. Zudem entzog es ihm die Fahrerlaubnis und verfügte eine Sperrfrist von einem Jahr auf Wiedererteilung.
Das LG Osnabrück bestätigte nun die Berufung des Angeklagten gegen diese Entscheidung hinsichtlich der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen. Es ging damit sogar über die Wertung der Staatsanwaltschaft und die Anklage und des amtsgerichtlichen Urteils hinaus. Beide hatten kein tatsächliches Rennen angenommen, sondern die Flucht des Angeklagten rechtlich als verkehrswidrige und rücksichtlose Fortbewegung, also quasi „simuliertes Rennen“ ohne zweiten Teilnehmer eingeordnet.
Das Landgericht erläuterte nun dazu, die Einordnung der Polizeiflucht als nicht erlaubtes Kraftfahrtzeugrennens sei insgesamt bisher kaum diskutiert worden. Es sei aber anerkannt, dass auch die Polizeiflucht vergleichbar mit einem klassischen Rennen ein Wettbewerbselement aufweise, hier mit dem Ziel der erfolgreichen Flucht. Die Polizeiflucht berge daher dieselben Risiken wie ein verabredetes oder spontanes Rennen mehrerer Kfz aus falschverstandenem sportlichen Ehrgeiz. Es entspreche deshalb dem gesetzgeberischen Willen und auch dem Wortlaut des Gesetzes, die Polizeiflucht als nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen einzuordnen.
Dabei liegt ein tatsächliches Rennen vor, weil mit dem Polizeifahrzeug ein zweiter PKW beteiligt gewesen sei. Für ein verbotenes Rennen sei nicht erforderlich, dass alle Teilnehmer rechtswidrig handelten. Eine solche Einschränkung ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch dem Zweck des Gesetzes. Daher spiele es keine Rolle, dass die Polizei zur Verfolgung unter Nichteinhaltung der allgemeinen Verkehrsregeln bei der Verfolgung des Flüchtenden berechtigt gewesen sei. Die Beteiligung der Polizei habe der Angeklagte auch als erwartbare Reaktion auf sein rechtswidriges Handeln jedenfalls billigend in Kauf genommen.
Anders als das Amtsgericht vermochte die Kammer nach erneuter Beweisaufnahme allerdings keine konkrete Straßenverkehrsgefährdung durch den Angeklagten bei seiner Flucht festzustellen. Insbesondere konnte keine unmittelbare Gefährdung von Fußgängern festgestellt werden. Weil der Angeklagte zu dem zwischenzeitlich arbeitslos geworden war, sanktionierte die Kammer die Tat des Angeklagten statt mit einer Geldauflage, wie noch das Amtsgericht, nun mit 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Das Landgericht hielt aber an der Entziehung der Fahrerlaubnis fest. Dabei wurde die Sperrfrist bis zu einer möglichen Wiedererteilung im Hinblick der auf den zwischenzeitlich Zeitablauf auf noch 3 Monate reduziert.
Das Urteil ist rechtskräftig.
[LG Osnabrück, Urteil vom 01.03.2021, Az. 13 Ns 16/20]