Wer beim Tragen einer Getränkekiste auf einem unebenen Gehweg zu Fall kommt, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz/Schmerzensgeld, so das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung von Anfang April 2020. Der Mann verlangte Schadensersatz mit der Argumentation, dass der Gehweg erhebliche Unebenheiten aufgewiesen hätte, die der Mann nicht erkennen konnte, weil die Getränkekiste vor ihm seine Sicht einschränkte. Beim Stolpern brach er sich der Mittelhandknochen und verlangte Schadensersatz nebst Schmerzensgeld. Das OLG Köln sah in den ihm Unebenheiten keine unerkennbare und unbeherrschbare Gefahrenquelle. Mit etwas Aufmerksamkeit, könne man den Weg 'beherrschen'. Die Klage scheiterte also, weil hier ein überwiegendes Eigenverschulden vorgelegen habe.

 

Das Landgericht München I hatte dem jungen Mann, der heute in einem Rollstuhl sitzt, eine halbe Million Euro und eine monatliche Schmerzensgeldrente von € 1.500,00 zugesprochen. Die verurteilte Baufirma, die zwischenzeitlich von einem Insolvenzverwalter vertreten wird, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Grundstückseigentümer, der zwischenzeitlich verstorben ist, wird von einem „Nachfolger“ vertreten.

Die Entscheidung der Justiz, das Verfahren gegen Diess und Pötsch gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen, wird ein strafrechtliches Nachspiel haben. Angemessen wäre es, wenn beide Beschuldigten die Geldauflage aus eigener Tasche zahlen, so wie Otto Normalverbraucher. Tatsächlich zahlt aber der VW-Konzern die Millionen. Damit aber zahlen die VW-Aktionäre die Zeche. Zu den Aktionären gehört auch das Land Niedersachsen, also der oberste Dienstherr der Staatsanwaltschaft Niedersachsen. Widerliches Detail: Diese Zahlung führt dazu, dass VW weniger Steuern zahlen muss. Somit zahlt letztlich auch jeder VW-Besitzer die Strafe mit. Die Aufbereitung des Dieselskandals gerät durch staatliche Hilfe so immer mehr zur Farce.

Am 8. Juli 2020 sollen die Porsche-Vorstände Oliver Blume und sein Vorgänger (zugleich ehemaliger VW-Chef) Matthias Müller vor dem Oberlandesgericht Stuttgart angehört werden. Es geht darum, wer von Abgasmanipulationen beim Porsche Macan was wusste. In dem Fahrzeug steckt ein Audi-Motor. Wir führen derzeit ein Parallelverfahren vor dem Landgericht Freiburg. Dort behauptet Porsche, dass man sich auf die Aussage von Audi, dass der Motor "manipulationsfrei" sei, verlassen habe. Diese Einlassung erscheint wenig glaubwürdig. Zwischenzeitlich verdichten sich zudem noch Hinweise, dass Porsche bei der Entwicklung der Thermofenster, die nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs höchstwahrscheinlich illegal sind, ganz vorne mit dabei war.

 

Wir warten in unserem erfahren in Freiburg zunächst einmal die Anhörung beim OLG Stuttgart ab. Es könnte allerdings sein, dass sich die Herren Blume und Müller wegen laufender Straf- und Ermittlungsverfahren auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen werden. Für den Fall ‚dass‘, wäre zu überlegen, die Zivilverfahren bis zum Abschluss der Strafverfahren auszusetzen. Eine vier oder fünfprozentige Verzinsung des Anspruchs wäre möglicherweise wirtschaftlich nicht das schlechteste.

 

[OLG Stuttgart, Beweisbeschluss vom 12.05.2020, Az. 16a U 186/19]

 

Am Rande: ‚Turbienchen‘ – Ablenkungsmanöver oder echtes Bekenntnis zum Umweltschutz?

In der ersten Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof um die Rückgabe eines gebrauchten VW Sharan wurde der Vorsitzende Richter Stephan Seiters am Dienstag, 05.05.2020, doch recht deutlich. Im Grunde genommen hat der Bundesgerichtshof den Mainstream der Oberlandesgerichte bestätigt.

 

Diesel-Käufer können das erworbene Fahrzeug zurückgeben. Sie müssen sich allerdings dabei die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Volkswagen droht vor dem obersten deutschen Zivilgericht eine entscheidende Niederlage. Dass das Gericht auch noch zusätzlich „Strafzinsen“ zuerkennt, davon gehen wir als Prozessbeobachter derzeit nicht aus, aber nur derzeit. Das deutsche Schadensersatzrecht kennt keinen Sanktionszweck, wird immer wieder argumentiert. Möglicherweise wird das deutsche Recht dies aber nun kennenlernen, denn nach europäischem Recht (und vielen anderen Rechtsordnungen) wird im Schadensersatzrecht die Entschädigung und die Sanktionierung miteinander verquickt, insbesondere dann, wenn – wie hier – die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ganz perfide und ganz berechnend erfolgt ist. Für die Anwendung eines Sanktionsrechts spricht, dass Entschädigung nur dann von solchen Aktionen abgehalten wird, wenn nicht nur ein reiner Schadensausgleich stattfindet, sondern sich jede sittenwidrige Schädigung schon vom Ergebnis her nicht lohnt und pönalisiert wird.