Der Mutterschutz nach einer Fehlgeburt in Deutschland hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere vom Zeitpunkt der Fehlgeburt und deren rechtlicher Einordnung. Die Regelungen dienen dem Schutz der Gesundheit der betroffenen Frau und der Verarbeitung des Ereignisses.
1. Mutterschutz nach einer Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche
Wenn eine Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche (Schwelle der Lebensfähigkeit des Fötus) eintritt, gilt dies rechtlich nicht als Geburt eines Kindes. In solchen Fällen gibt es keinen Anspruch auf Mutterschutz im Sinne der §§ 3 ff. des Mutterschutzgesetzes (MuSchG).
Regelungen:
Es gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzregelungen, wie z. B. das Recht auf Krankschreibung.
Die Frau hat Anspruch auf eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn sie körperlich oder psychisch nicht in der Lage ist, ihrer Arbeit nachzugehen.
Dauer der Arbeitsunfähigkeit: Der behandelnde Arzt entscheidet über die Dauer, die auch mehrere Wochen betragen kann, abhängig von der gesundheitlichen und emotionalen Verfassung der Frau.
2. Mutterschutz nach einer Fehlgeburt ab der 24. Schwangerschaftswoche
Wenn die Fehlgeburt ab der 24. Schwangerschaftswoche eintritt oder das Kind mindestens 500 Gramm wiegt, wird dies rechtlich als Totgeburt eingestuft. In diesen Fällen greifen die Regelungen des Mutterschutzes:
Regelungen:
Die Frau hat Anspruch auf den vollständigen Mutterschutzzeitraum von 8 Wochen nach der Geburt, unabhängig davon, ob das Kind lebend geboren wurde oder verstorben ist (§ 3 Abs. 2 MuSchG).
Bei Mehrlings- oder Frühgeburten verlängert sich der Schutzzeitraum auf 12 Wochen.
3. Kündigungsschutz
Unabhängig vom Zeitpunkt der Fehlgeburt besteht ein besonderer Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz. Dieser Schutz endet erst 4 Monate nach der Fehlgeburt (§ 17 MuSchG). Er soll verhindern, dass Frauen aufgrund der Fehlgeburt arbeitsrechtlich benachteiligt werden.
4. Empfehlungen für Betroffene
Ärztliche Unterstützung: Lassen Sie sich vom behandelnden Arzt beraten und eine Krankschreibung ausstellen, wenn Sie Zeit zur Erholung benötigen.
Psychologische Hilfe: Viele Frauen benötigen nach einer Fehlgeburt psychologische Unterstützung. Es gibt spezialisierte Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Arbeitgeber informieren: Teilen Sie Ihrem Arbeitgeber den Umstand mit, wenn der Kündigungsschutz oder eine längere Ausfallzeit greifen soll.
Fazit
Nach einer Fehlgeburt hängt der Anspruch auf Mutterschutz maßgeblich vom Zeitpunkt der Schwangerschaft ab. Bei Unsicherheiten ist es sinnvoll, ärztliche und rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die eigenen Rechte zu kennen und durchzusetzen.
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In diesem Artikel erläutert Prof. Dr. Bettina Graue die aktuelle Rechtslage und die Forderungen zur Verbesserung des Mutterschutzes nach einer Fehlgeburt. Ihre Hauptaussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Kritik an der bisherigen Rechtslage
Der Mutterschutz knüpft aktuell an den Begriff der „Entbindung“ an, der jedoch nicht eindeutig im Mutterschutzgesetz (MuSchG) definiert ist.
Frauen mit einer Fehlgeburt (vor der 24. Schwangerschaftswoche oder bei einem Gewicht des Kindes unter 500 Gramm) haben keinen Anspruch auf die Mutterschutzfrist von 8 bzw. 12 Wochen nach der Geburt. Dies zwingt sie oft, unmittelbar wieder zu arbeiten, es sei denn, sie lassen sich krankschreiben.
Eine Krankschreibung führt zu finanziellen Nachteilen, da nach Ablauf von 6 Wochen Entgeltfortzahlung nur noch Krankengeld gezahlt wird. Dies benachteiligt Frauen wirtschaftlich gegenüber jenen, die eine Totgeburt erleiden.
2. Verfassungsrechtliche Bedenken
Das Fehlen eines Mutterschutzes nach einer Fehlgeburt kollidiert laut Prof. Graue mit:
Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG): Verbot der Benachteiligung, da Frauen mit Fehlgeburten schlechter gestellt werden.
Artikel 6 Absatz 4 GG: Anspruch auf staatlichen Schutz und Fürsorge für Mütter, der durch die derzeitige Regelung nicht ausreichend erfüllt wird.
3. Forderungen an den Gesetzgeber
Prof. Graue spricht sich für einen gestaffelten Mutterschutz nach einer Fehlgeburt aus, der sich an der Länge der Schwangerschaft orientiert. Sie betont, dass der Gesetzgeber dabei eine konsistente und verfassungskonforme Regelung schaffen sollte.
Vorschläge:
Die Mutterschutzfrist (8 bzw. 12 Wochen nach Geburt) sollte unabhängig davon gelten, ob es sich um eine Tot- oder Fehlgeburt handelt. Eine Differenzierung ist unpraktisch und unnötig.
Die rechtliche Abgrenzung zwischen Fehl- und Totgeburt im Personenstandsrecht (§ 31 Absatz 2 PStV) müsste überarbeitet werden. Eine Stichtagsregelung wie beim Kündigungsschutz (ab der 12. Schwangerschaftswoche) könnte als Grundlage dienen.
Arbeitgeber sollten weiterhin über das Umlageverfahren (U2) entlastet werden, sodass auch wirtschaftliche Bedenken ausgeräumt werden.
4. Bundesratsbeschluss und Konsequenzen
Der Bundesratsbeschluss vom 5. Juli 2024 fordert die Einführung eines gestaffelten Mutterschutzes, was den Druck auf die Bundesregierung erhöht.
Eine solche Reform müsste das Mutterschutzgesetz (MuSchG), das Personenstandsrecht (PStG und PStV) sowie das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) einbeziehen.
Fazit
Prof. Dr. Graue argumentiert, dass ein gestaffelter Mutterschutz nach einer Fehlgeburt nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch geboten ist, um die wirtschaftliche und gesundheitliche Benachteiligung betroffener Frauen zu beenden. Eine konsistente und verfassungskonforme Regelung im Mutterschutzgesetz ist dringend erforderlich.