Der Oberste Gerichtshof in Spanien hat die Kündigung eines Elektrikers zurückgewiesen, welcher während der Arbeitszeit mehrere Liter Bier getrunken hatte und ihm, falls sein Arbeitgeber ihn nicht wieder einstellt, sogar eine Entschädigung von rund 47.000 € zugesprochen. Die Kündigung wurde zurückgewiesen, da er „nur“ während der Pausen und zum Mittagessen getrunken habe und seine Arbeitsleistung dadurch nicht beeinträchtigt gewesen sei. Zudem sei es sehr heiß gewesen. Da solle man viel trinken.
Ob diese Argumentation in Deutschland ausreicht, darf bezweifelt werden. Wie stellt sich also die Rechtslage in Deutschland dar?
Eine Alkoholsucht rechtfertigt in jedem Fall eine krankheitsbedingte Kündigung, auch, wenn es zu keinem Fehlverhalten durch den Arbeitgeber kommt, da in diesem Zustand jederzeit die Gefahr des Verlustes der Steuerungsfähigkeit besteht.
Anderenfalls muss man erstmal danach unterscheiden, ob auf der Arbeit ein absolutes Alkoholverbot herrsct. In bestimmten Berufen, wie z.B. für Piloten, gibt es ein absolutes Alkoholverbot. Dann ist die Kündigung bei jeglichem Alkoholkonsum gerechtfertigt. Ob es auf der Arbeit ein absolutes Alkoholverbot gibt, richtet sich dabei nach den jeweiligen Tarif- oder Arbeitsverträgen.
Besteht kein absolutes Alkoholverbot, rechtfertigt nicht jeder Alkoholkonsum eine Kündigung. Auch ein Arbeitnehmer, der Alkohol in Maßen getrunken hat, kann – je nach Einzelfall – in der Lage sein, seine Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen. Andernfalls kommt, allerdings erst nach erfolgloser Abmahnung, eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist dagegen nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Tätigkeiten im sicherheitsrelevanten Bereich, möglich.
Im Fall der Kündigung des Elektrikers war er bereits 2020 wegen Bierkonsums von Beschäftigung und Gehalt suspendiert worden. Auch gegen diese Strafe ist er vorgegangen und hat den Rechtsstreit gewonnen. Daraufhin ließ sein Unternehmen ihn 2021 von einem Detektiv überwachen. Dieser beobachtete, dass der Elektriker in einem Dienstwagen die Firma verließ. Während der Arbeit und auf dem Rückweg zur Arbeit habe er insgesamt fünf Dosen Bier und eine Einliterflasche Bier getrunken. Dasselbe Verhalten sei auch ein paar Tage später beobachtet worden. Der Elektriker habe stets Bier oder mehrere Gläser Rotwein zum Mittagessen getrunken.
Der Arbeitgeber stufte das Verhalten des Mannes als Straftaten ein. Der Konsum von Alkohol in großen Mengen während der Arbeitszeit gefährde ihn und seine Kollegen,denn das Fahren mit dem Firmenwagen im alkoholisierten Zustand hätte andere Menschen in Gefahr gebracht. Das Gericht gab dem Arbeitnehmer recht, weil die Berichte des Detektivs keine Anzeichen von Trunkenheit beim Mann erwähnt haben und auch keine Rede davon gewesen sei, dass der Alkoholkonsum ihn bei der Arbeit beeinflusst hätte. Der Mann habe in allen Fällen in seinen Pausen getrunken, nicht in der Arbeitszeit und habe beim Trinken auch gegessen.
Die Argumentation des Gerichts würde vor deutschen Gerichten wohl nicht standhalten. Möglicherweise ist der Alkoholkonsum des Elektrikers bereits eine Alkoholsucht, die in allen Fällen die Kündigung rechtfertigt, dazu gab es wohl jedoch zu wenige Nachweise. Aber das Fahren eines Fahrzeugs ist, sofern die Alkoholisierung bei über 0,3 Promille liegt, was beim Genuss von mehr als einem oder zwei Bier wohl der Fall gewesen sein dürfte, eine Straftat – undzwar Trunkenheit im Verkehr. Die Begehung von Straftaten am Arbeitsplatz dürfte unstreitig eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten und einen berechtigten Kündigungsgrund darstellen.
[Quellen: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/murcia-spanien-firma-entlaesst-mitarbeiter-wegen-biertrinkens-und-muss-ihn-wieder-einstellen-a-ab245208-5b5f-4036-bcf8-500d6a6e64f5 ; Müller: Der Missbrauch von Alkohol und (sonstigen) Drogen im Arbeitsverhältnis in: NJOZ 2019, 1105]