Trotz (oder vielleicht auch wegen) aller Demonstrationen und Menschenketten der Corona-Leugner sind die Fallzahlen in der Pandemie in den letzten Tagen teilweise dramatisch angestiegen. Damit ist auch ein Begriff ins Spiel gekommen, der zuletzt im Frühjahr für etwas Furore gesorgt hat: Die „Triage“ (vom frz. „trier“, aussuchen, aussortieren). Ein Begriff, der eigentlich aus der Militärmedizin stammt und für das Auswahlverfahren verwendet wurde, wenn zu wenig medizinische Kapazitäten für zu viele Verwundete zur Verfügung standen. Bei der ersten Infektionswelle konnte eine solche Triage in Deutschland verhindert werden, ob dies auch bei der jetzt anrollenden zweiten Welle der Fall sein wird, steht noch in den Sternen. Von daher ist dieses Thema nunmehr auch wieder in den Fokus geraten. Eine gesetzliche Regelung, wie und nach welchen Gesichtspunkten einige Patienten behandelt werden, andere letztlich nicht, gibt es in Deutschland derzeit nicht.
Verschiedentlich wird jedoch eine derartige gesetzliche Regelung verlangt. In der vergangenen Woche gab es eine Online-Tagung zur Frage der Triage im Strafrecht. Im Rahmen dieser Tagung gab es wohl auch Anfragen seitens des Bundesverfassungsgerichts, allem Anschein nach beschäftigen sich auch die Karlsruher Richter bereits mit dieser Problematik. Es stellt sich jedoch durchaus die Frage, ob eine gesetzliche Regelung hier zum einen statthaft und zum anderen sinnvoll ist. Grundsätzlich muss man bedenken, dass einer der wesentlichen Eckpfeiler unseres Rechtssystems der absolute Schutz menschlichen Lebens und die Gleichwertigkeit des menschlichen Lebens ist. Es würde diesen Grundprinzipien zuwiderlaufen, wenn man hier eine wie auch immer geartete Hierarchie einführen würde. Dem Wesen unseres Gesetzes nach ist das Leben eines 80-jährigen genauso viel wert, wie das Leben eines 30-jährigen. Auch das Leben eines Akademikers ist gleich viel wert, wie das Leben einer angelernten Hilfskraft. Alter, gesellschaftliche Stellung oder auch System Relevanz darf kein Maßstab für den Wert menschlichen Lebens sein - auch nicht in Krisensituationen. Auch und gerade der Gesetzgeber sollte hier nicht Gott spielen und es sich anmaßen, sich zum Herrn über Leben oder Tod aufzuschwingen. Wir sind sonst wieder nicht mehr weit von Begrifflichkeiten wie „lebensunwertem Leben“ entfernt, die aus Deutschlands dunkelsten Zeiten stammen. Auch ist es absolut fraglich, ob derartige Triage-Vorgaben in der Sache dienlich sind. Je nach der konkreten Situation vor Ort sind die Voraussetzungen eventuell so verschieden, dass eine allgemeine Regelung wenig hilfreich sein würde. Lassen wir es daher bei dem Zustand wie bisher. In letzter Konsequenz können und müssen die behandelnden Ärzte die Entscheidung treffen, wie sie die eventuell nicht ausreichenden Ressourcen einsetzen.