Kann die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten?
Der BGH entscheidet: Ja. Voraussetzung hierfür sei ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen werden.
Gegenstand des vom BGH entschiedenen Falles war ein Rechtsanwalt, der mehrmals von einer KG mit der Rechtsberatung beauftragt worden. Über das Vermögen der KG wurde drei Jahre später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft sowie dessen Vater (faktischer Mitgeschäftsführer) mussten einen Vergleichsbetrag in Höhe von € 85.000,00 an den Insolvenzverwalter zahlen. Dieser hat beide wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife auf Erstattung in Anspruch genommen.
Es folgte eine Regressklage des Zessionars aus abgetretenem Recht gegen die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts.
Hierzu hat der BGH nun entschieden, dass gerade solch ein Regressanspruch grundsätzlich gegeben sein kann. Herangezogen werden müssen die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Der tatsächliche oder faktische Geschäftsführer hätte in den Vertrag mit der KG mit einbezogen werden müssen.
Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters hinsichtlich eines möglichen Insolvenzgrundes entfaltet Drittwirkung.
Es bedarf eines Leistungsverhältnisses (Die Geschäftsleiter müssen mit der von dem Anwalt geschuldeten Leistung in Berührung kommen), eines Näheverhältnisses (Schutzwürdiges Interesse des Unternehmens an der Eibeziehung des Dritten), der Erkennbarkeit des Näheverhältnisses für den Anwalt sowie eines Bedürfnisses für die Einbeziehung des Dritten (Sofern kein inhaltsgleicher, eigener vertraglicher Anspruch des Dritten besteht).
Zur Begründung der Beratungspflicht des Anwalts müssen neben den allgemeinen Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter muss nach dem BGH dem Berater der mögliche Insolvenzgrund bekannt und offenkundig sein bzw. sich ihm geradezu aufdrängen. Die bloße Erkennbarkeit reicht nicht aus. Zudem muss der Berater Grund zur Annahme haben, dass sich der Geschäftsleiter nicht über den möglichen Insolvenzgrund und die daraus folgenden Handlungspflichten bewusst ist.
Der BGH verweist den Fall zurück an die Vorinstanz.
Quelle: BGH Urteil vom 29.06.2023, IX ZR 56/22; https://www.haufe.de/recht/kanzleimanagement/beratungspflicht-des-anwalts-gegenueber-managern_222_603356.html