§ 238 StGB soll das Rechtsgut der Freiheit der persönlichen Lebensgestaltung, den Rechtsfrieden des Opfers und die Fortbewegungs- und Entschließungsfreiheit schützen, indem Belästigungen und systematische Verfolgungen eines anderen Menschen unter Strafe gestellt werden. § 238 Abs. 1 StGB stellt hierbei den Grundtatbestand der einfachen Nachstellung dar. Der Absatz zwei ist eine Qualifikation und der Abs. 3 eine Erfolgsqualifikation.
Der Grundtatbestand ist bei Vorliegen folgender Tatbestandsmerkmale erfüllt:
I. Tatbestand
1. objektiver Tatbestand
a) Unbefugtes und beharrliches Nachstellen durch eine der in den Nummern 1 – 5 benannten Vorgehensweise
aa) Nr. 1: Räumliche Nähe aufsuchen
Diese Tathandlung ist bei dem räumlichen Aufsuchen des Opfers gegeben.
Beispiel: Der Täter steht vor dem Haus oder der Arbeitsstätte des Opfers
bb) Nr. 2: Versuch der Kontaktherstellung
Der Versuch der Kontaktherstellung ist ebenso eine taugliche Tathandlung.
Beispiel: unerwünschte Anrufe, SMS oder E-Mails
cc) Nr. 3: Kommunikation unter dem Namen des Opfers
Außerdem liegt eine Nachstellung bei einer Kommunikation unter dem Namen des Opfers vor.
Beispiel: Bestellen von Waren im Internet auf den Namen des Opfers, Schalten von Kontaktanzeigen
dd) Nr. 4: Drohung
Ebenso liegt eine taugliche Tathandlung in der Drohung.
Beispiel: Täter droht mit der Verletzung der Freiheit der persönliche
Lebensgestaltung
ee) Nr. 5: Auffangtatbestand
dient lediglich als Auffangtatbestand, falls keine der obigen Nummern eingreifen.
Hierbei bedeutet „Nachstellen“ das gezielte Aufsuchen der Nähe eines anderen Menschen und „beharrlich“ die wiederholte Vornahme einer der in Nummern 1 – 5 benannten Handlungen unter bewusster Missachtung des entgegenstehenden Willen des Opfers oder aus Gleichgültigkeit gegenüber seinen Wünschen.
„Unbefugt“ sind hierbei Handlungen, die gegen den Willen der betroffenen Person erfolgen.
b) Handlung muss geeignet sein, schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers zu bedeuten
Eine „Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ liegt hierbei vor, wenn das Opfer gegen den Willen die äußere Gestaltung des Lebens, d.h. alltägliche Abläufe, Verrichtungen oder Planungen oder einzelne gewichtige Entscheidungen der Lebensgestaltung einschränkt oder verändert oder wenn sie ohne oder gegen den Willen des Opfers vorgenommen werden.
„Schwerwiegend“ bedeutet in diesem Zusammenhang das unzumutbare, über das übliche Maß hinausgehende, von der betroffenen Person zu Recht als aufgezwungen empfundene, negative Veränderung.
c) Kausalität
d) Objektive Zurechnung
Nach der Rechtsprechung entfällt die Prüfung der objektiven Zurechnung. Einzelne Aspekte der Lehre werden nur bei Fahrlässigkeitstaten und bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, nicht aber bei vorsätzlichen Erfolgsdelikten angewandt.
2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz, § 15 StGB
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Eventuell Strafantrag gem. § 238 Abs. 4 StGB
2017 wurde die Norm dahingehend geändert, dass kein kausal und objektiv zurechenbarer Taterfolg in Gestalt einer tatsächlich eingetretenen, schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung mehr erforderlich ist. Es reicht nunmehr bereits aus, dass die Tathandlung geeignet ist, die Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen. Das bedeutet konkret, dass das Delikt von einem Erfolgsdelikt zu einem Gefährdungsdelikt (in Gestalt eines abstrakten Eignungsdelikts) umgestaltet wurde.
Der Gedanke hinter der Reformierung 2017 war, dass nun auch die Opfer geschützt werden sollen, die es sich zum Beispiel aus finanziellen Gründen nicht leisten können, den Wohnort oder die Arbeitsstelle zu verlassen, die aber gleichwohl unter den Nachstellungen des Täters leiden.
Außerdem wurde § 238 StGB aus dem Katalog der Privatklagedelikte des § 374 Abs. 1 StPO gestrichen, sodass die Staatsanwaltschaft nun keine Möglichkeit mehr hat, das Verfahren einzustellen und das Opfer auf den Privatklageweg zu verweisen. Die Staatsanwaltschaft muss seither das Delikt von Amts wegen verfolgen.
§ 238 Abs. 2 StGB ist eine Qualifikation. Hierbei muss ein Angehöriger des Opfers, das Opfer selbst oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht worden sein. Auch hier muss der Täter zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben.
Die Erfolgsqualifikation des Absatz 3 setzt den Eintritt des Todes des Opfers, eines Angehörigen oder einer anderen dem Opfer nahestehende Person voraus. Hierbei muss der Täter mindestens bezüglich des Todes fahrlässig gehandelt haben, vgl. § 18 StGB.
Was können Betroffene tun?
Betroffene Personen, die sich durch die in Rede stehende Nachstellung beharrlich und schwerwiegend belästigt und in ihrer Lebensführung einschneidend eingeschränkt fühlen, können bei der Polizei Strafanzeige erstatten.
Neben diesem strafrechtlichen Weg, bietet auch das Zivilrecht Schutz. Das sog. Gewaltschutzgesetz bietet die Möglichkeit bei Gericht eine einstweilige Verfügung oder Gewaltschutzanordnung zu erwirken. Hierdurch wird dem Stalker verboten, jegliche persönliche Kontaktaufnahme mit dem Opfer vorzunehmen, auch über elektronische Medien. Außerdem kann ein Abstandsgebot oder Näherungsverbot für die Person und die Wohnung ausgesprochen werden.
Wenn der Täter gegen diese Auflagen verstößt, drohen Ordnungsgelder in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft oder Freiheitsstrafe.
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings
Aktuell gibt es um den Paragrafen des Stalkings einige Entwicklungen. Der Tatbestand soll reformiert werden, da aktuell nicht genügend Schutz für die Betroffenen gewährleistet wird. Da seit der letzten Reform 2017 die technischen Möglichkeiten, welchen sich die Täter bedienen können, sich deutlich weiterentwickelt haben, muss der Gesetzgeber nun aktiv werden. Deshalb soll insbesondere bei der Reformierung das Cyberstalking im Mittelpunkt stehen.
In der Praxis scheitert eine Verurteilung bislang noch an den zu unbestimmten Tatbestandsmerkmalen „schwerwiegend“ und „beharrlich“. Aus diesem Grund sollen jene Strafbarkeitsvoraussetzungen durch die Reform ersetzt werden.
Der Täter muss dann nicht mehr „beharrlich“ die Nähe des Opfers suchen, sondern es reicht vielmehr schon ein „wiederholtes“ Aufsuchen aus. Dass das Opfer bislang „schwerwiegend“ in deren Lebensgestaltung beeinträchtigt sein muss, soll durch das Tatbestandsmerkmal „nicht unerheblich“ ersetzt werden.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hofft, dass durch die Abänderung der Voraussetzungen des Tatbestandes die Strafbarkeitsschwelle herabgesetzt wird.
In der Praxis war es bislang so, dass durch die Unbestimmtheit der Begriffe die Gerichte diese unterschiedlich ausgelegt haben und so eine Strafbarkeit meist an zu hohen Anforderungen scheiterte.
Außerdem soll der Handlungskatalog des § 238 Abs. 1 StGB durch typische Begehungsformen des Cyberstalkings ergänzt werden.
Nennenswert ist hier vor allem eine neue Entwicklung bzw. Begehungsweise, in welcher Täter eine Stalkerware oder eine App ohne Wissen des Opfers auf deren mobilem Endgerät installieren und damit Zugang zu deren Nachrichten, Fotos sowie Geolokalisierungsinformationen ihrer Opfer erhalten.
Da Stalkerware im so genannten „Stealth-Modus“ operiert, haben die Betroffenen keine Kenntnis über deren Existenz. Die Opfer können gar nicht erkennen, dass sie ab sofort umfassend kontrolliert und überwacht werden.
Darüber hinaus sollen weitere Begehungsweisen des Cyberstalkings erfasst werden wie zum Beispiel die Verbreitung von Bildaufnahmen des Opfers oder ihr nahestehenden Personen. Laut dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sei es in den letzten Monaten vermehrt zu der Verbreitung sog. „Rachepornos“ gekommen, die häufig in einem Suizid der Opfer endeten. Weiterhin soll die Vortäuschung einer Urheberschaft des Opfers in dem reformierten § 238 StGB genannt werden.
Im Sinne des Verbraucherschutzes und im Sinne der Bestimmtheit und Rechtssicherheit wäre eine Ergänzung des Handlungskatalogs durchaus sinnvoll.
Weiterhin soll durch die Reform die bisherige Qualifikationsvorschrift des Absatz 2 in eine allgemeine Regelung besonders schwerer Fälle geändert werden. Durch diese Abänderung könnten die Richter in Zukunft bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe flexibler verhängen. Bislang wird dies nur bei der besonderen Gefährdung des Opfers relevant.
Durch die Reform sollen drei weitere Fälle erfasst werden: Die tatsächliche Verursachung einer Gesundheitsschädigung des Opfers oder einer nahestehenden Person, die besonders intensive Nachstellung und wenn das Stalking sich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt.
Eine Verabschiedung der Reform ist noch für die laufende Legislaturperiode geplant.