Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen verfassungsgemäß ist. Zwar greift die Steuer in die Berufsfreiheit der Verkäufer (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Tübingen darf sich auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für örtliche Verbrauchssteuern (Art. 105 Abs. 2a GG) berufen. Die Steuer gilt als "örtlich", da take-away-Gerichte und -Getränke typischerweise im Stadtgebiet konsumiert werden, weil deren Frische und Konsistenz schnell nachlassen.

 

Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig und zumutbar, da die Steuererhebung durch Verkäufer geeignet und notwendig ist, um Müll im Stadtgebiet zu reduzieren. Andere Alternativen, wie eine direkte Steuer bei Verbrauchern, wären weniger praktikabel oder effektiv.

 

Für die Verpackungssteuer in Konstanz bedeutet das Folgendes:

 

1. Steuergesetzgebungskompetenz

Das BVerfG hat entschieden, dass sich die Universitätsstadt Tübingen auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für örtliche Verbrauchssteuern nach Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG stützen kann. Diese Begründung gilt auch für die Verpackungssteuer in Konstanz, da beide Städte im selben rechtlichen Rahmen des Kommunalabgabengesetzes Baden-Württemberg (KAG) handeln. Die Konstanzer Verpackungssteuer ist ebenfalls als örtliche Verbrauchssteuer qualifizierbar. Der "örtliche" Charakter ergibt sich aus der Tatsache, dass Speisen und Getränke typischerweise im Stadtgebiet verzehrt werden, wie das BVerfG es im Fall Tübingens festgestellt hat. Auch in Konstanz verfolgt die Steuer das Ziel, Müll im Stadtgebiet zu reduzieren, was die lokale Bezugnahme und die Steuerrechtfertigung stärkt.

 

2. Berufsfreiheit der Verkäufer

Das BVerfG hat anerkannt, dass die Verpackungssteuer einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Verkäufer darstellt, diesen Eingriff jedoch für verfassungsmäßig erklärt, da die Steuer ein geeignetes Mittel ist, um den Verpackungsmüll zu reduzieren und der Eingriff in die Berufsfreiheit der Verkäufer im Hinblick auf dieses Gemeinwohlziel (Reduktion von Müll) verhältnismäßig ist. Auch die Konstanzer Verpackungssteuer dürfte verfassungsrechtlich mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sein, da sie dieselben Ziele verfolgt wie die Tübinger Steuer.

 

3. „Örtlichkeit“ der Verbrauchssteuer

Das BVerfG hat festgestellt, dass die Örtlichkeit der Steuer nicht zwingend bedeutet, dass der Verzehr direkt an Ort und Stelle erfolgen muss. Es reicht aus, wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolgt. Das sei bei Take-away-Speisen und -Getränken der Fall, da diese in der Regel, aufgrund der Frische und Wärme der Speisen, im Stadtgebiet konsumiert werden. Auch für Konstanz dürfte der "örtliche" Charakter der Steuer gegeben sein, da das Konsumverhalten von Take-away-Speisen und -Getränken in Konstanz mit dem in Tübingen vergleichbar ist. Somit dürfte auch die Konstanzer Verpackungssteuer als örtliche Verbrauchssteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG zu qualifizieren sein.

 

Trotz der Parallelen zwischen Tübingen und Konstanz könnten Unterschiede bestehen, die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Konstanzer Steuer haben:

 

1. Zusätzliche Erhebung der Mehrwertsteuer

In Konstanz wird auf die Verpackungssteuer zusätzlich Mehrwertsteuer erhoben. Das ergibt sich zwar nicht explizit aus der Verpackungssteuersatzung, wird aber faktisch so umgesetzt. Dies könnte problematisch sein, da dies die Steuerlast für den Endverbraucher erhöht und die Praktikabilität infrage stellen könnte. Das BVerfG hat sich zu dieser Thematik nicht geäußert, da in Tübingen wohl keine zusätzliche Mehrwertsteuer erhoben wird. Ob dies in Konstanz zulässig ist, müsste gesondert geprüft werden.

 

2. Abweichungen in der Satzungsgestaltung

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG nicht die Verpackungssteuer per se geprüft hat, sondern die Tübinger Verpackungssteuersatzung. Die Konstanzer Satzung weicht jedoch in einigen Punkten von der Tübinger Satzung ab, z. B. durch die Einführung einer Meldepflicht (§ 3 der Konstanzer Satzung). Außerdem stellt die Meldepflicht für Unternehmen einen zusätzlichen Aufwand dar, der bei kleineren Betrieben, wie Imbissständen oder Cafés, besonders ins Gewicht fallen könnte. Die Angabe des "voraussichtlichen Verbrauchs" ist schwierig zu quantifizieren, insbesondere für kleinere Betriebe mit schwankendem Geschäft. Unklar ist auch, wie die Stadt Konstanz mit falschen oder ungenauen Angaben umgeht. Solche zusätzlichen Anforderungen könnten für Verkäufer eine unverhältnismäßige Belastung und damit einen nicht gerechtfertigten Eingriff in deren Berufsfreiheit darstellen. Auch der Verzicht auf Steuerbefreiungen für zeitlich begrenzte Veranstaltungen (wie in Tübingen geregelt) könnte hinterfragt werden. Die Konstanzer Satzung regelt auch Steuerbefreiungen enger als die Tübinger Satzung. Nach § 5 der Konstanzer Satzung gilt eine Steuerbefreiung nur dann, wenn der Verkäufer die Einwegverpackungen vollständig zurücknimmt und einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zuführt. Die Tübinger Satzung hingegen sieht zusätzliche Befreiungen vor, beispielsweise für kurzfristige Veranstaltungen (z. B. Feste oder Märkte), bei denen Einwegverpackungen unvermeidlich sind. Die Steuerbefreiung für kurzfristige Veranstaltungen könnte in Tübingen als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit betrachtet werden. Eine enge Steuerregelung wie in Konstanz könnte dagegen als unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit von Veranstaltern gelten, die bei solchen Veranstaltungen oft keine Alternativen zu Einwegverpackungen haben.

 

3. Praktikabilität

Die Konstanzer Satzung könnte im Vergleich zur Tübinger Satzung durch ihre strengeren Melde-, Aufzeichnungs- und Kontrollvorschriften einen erhöhten Verwaltungsaufwand verursachen. Sollte dieser Aufwand in der Praxis unverhältnismäßig hoch sein oder die Steuer nicht effektiv umgesetzt werden können, könnte dies ihre Verfassungsmäßigkeit in Zweifel ziehen.

 

Fazit:

Die Abweichungen in der Konstanzer Satzung – insbesondere die strengere Meldepflicht, die engeren Steuerbefreiungen und die umfangreicheren Verwaltungsanforderungen – könnten im Vergleich zur Tübinger Satzung als unverhältnismäßig oder unnötig belastend angesehen werden. Dies würde ihre Rechtmäßigkeit infrage stellen, wenn sie nicht klar und überzeugend gerechtfertigt werden können. Das BVerfG hat im Tübinger Fall die Verhältnismäßigkeit der Steuer als wesentliches Kriterium hervorgehoben. Sollte die Konstanzer Satzung im Vergleich dazu zu strenge Regelungen enthalten, könnte dies die Argumentation der Verhältnismäßigkeit schwächen und die Steuer in ihrer aktuellen Form angreifbar machen.

Wie kann man die Verpackungssteuer „umgehen“?

Die Erklärung des Verbrauchers, er verzehre das take-away-Gericht zu Hause, reicht nicht aus: Die Steuerpflicht knüpft an die Art der Verpackung und deren typischen Verwendungszweck an, nicht an den tatsächlichen Verzehrort. Wenn man das Gericht z.B. ein Fleischkäsbrötchen nicht in eine Einwegtüte verpacken lässt, sondern direkt verzehrt, fällt keine Verpackungssteuer an. Und wie verhält es sich, wenn der Endverbraucher seine eigene Einwegverpackung mitbringt? Nach dem Wortlaut der Satzung ist entscheidend, ob der Verkäufer Einwegverpackungen bereitstellt und sie mit der Ware zusammen verkauft. Betrachtet man den Sinn und Zweck der Satzung, führt das Mitbringen von eigenen Einwegverpackungen natürlich nicht zum Ziel der Müllvermeidung.  Zwar sind Rechtsnormen auch der Auslegung, z.B. nach ihrem Sinn und Zweck zugänglich, allerdings muss sich eine solche Auslegung immer im Rahmen des Wortlauts halten.  Nach der aktuellen Rechtslage der Satzung könnte die Verpackungssteuer in Konstanz wohl tatsächlich umgangen werden, wenn der Verbraucher seine eigenen Einwegverpackungen mitbringt.