Redaktion LAWINFO.DE | Verkehrsrecht

Ein Unfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung liegt auch vor, wenn der Schaden durch den Versicherungsnehmer freiwillig herbeigeführt wurde. Ob dies vorsätzlich in Suizidabsicht geschah, was dazu führen würde, dass der Versicherer von seiner Leistung frei würde, kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung aller Indizien festgestellt werden. Die Beweislast hierfür trägt der Versicherer.

Der Versicherungsnehmer im OLG-Bezirk Dresden prallte mit seinem PKW frontal gegen ein Straßenbaum, nachdem er beim Anfahren das Fahrzeug stark beschleunigt hatte. Das Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden. Der Versicherer hat die Regulierung des Schadens abgelehnt, weil der Versicherungsnehmer den Unfall vorsätzlich in Suizidabsicht herbeigeführt habe. Damit greift die vereinbarte Ausschlussklausel.

Das zuständige Landgericht hatte ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt. Danach lasse sich keine Suizidabsicht beweisen. Gleichwohl hat es die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Sein Verhalten stellte sich jedenfalls deswegen als grob fahrlässig dar, weil er es versäumt habe, den durch die Beschleunigung ausgelösten Driftvorgang dadurch abzuwenden, dass er den Fuß vom Gaspedal genommen hätte. Dies stelle sich als so schwerwiegendes Versäumnis dar, dass hier ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf 0 gerechtfertigt sei.

Das Oberlandesgericht Dresden hat auf die Berufung des Versicherungsnehmers das Urteil geändert und den Versicherer antragsgemäß verurteilt. Er stellt klar: es handelt sich bei dem zu prüfenden Ereignis um einen „Unfall“ im Sinne des Versicherungsrechts. Ein solcher liege auch vor, wenn der Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Für das vorliegen eines Unfalls komme es allein darauf an, dass der Schaden durch eine von außen plötzlich einwirkender mechanischer Kraft herbeigeführt werde. Dies sei hier durch den Zusammenprall mit dem Straßenbaum der Fall.

Ein Haftungsausschluss wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Unfalls kommt nach den eindeutigen Versicherungsbedingungen nicht in Betracht. Dort heißt es nämlich ausdrücklich: „wir verzichten in der Fahrzeugversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.“ Gegen die Wirksamkeit dieser Verzichtsklausel hatte das OLG keine Bedenken.

[OLG Dresden, Urteil vom 10.11.2020, Az. 4 U 1106/20]