Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
„Facebook“ hat im Sommer 2019 zwei Fälle des späteren Klägers im Bezug zur sogenannten „Identitären Bewegung“ gelöscht und das Nutzerkonto des Klägers jeweils vorübergehend gesperrt. Nach einem weiteren Posting des Klägers im Januar 2020 wurde dann sein Account dauerhaft deaktiviert. Dafür hatte sich das soziale Netzwerk auf Verstöße des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen in Verbindung mit den „Gemeinschaftsstandards“ berufen, die unter anderem die Unterstützung von „Hassorganisationen“ verbieten.
Die Klage des betroffenen auf Unterlassung dieser Löschungen und vorübergehenden Kontosperrungen sowie eine Reaktivierung des Nutzerkontos hatte in zweiter Instanz überwiegend Erfolg.
Hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und der vorübergehenden Sperrung hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass diese Maßnahmen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook nach der maßgeblichen Fassung vom 19.04.2018 unzulässig waren. Zwar ist der Anbieter eines sozialen Netzwerkes dazu berechtigt, seinen Nuterinnen und Nutzern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver und überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, auch wenn diese über gesetzliche Vorgaben hinausgehen. Er darf sich dabei auch das Recht vorbehalten, bei Vertsoß gegen die Kommunikationsstandards einzelne Beiträge zu entfernen oder den Netzwerkzugang zu sperren. Der Anbeiter des sozialen Netzwerks muss jedoch in seinen Geschäftsbedingungen sicher stellen, dass der Nutzer über die Entfernung eines Beitrags jedenfalls unverzüglich nachträglich oder über eine beabsichtigte Sperrung des Nutzerkontos vorab informiert und der Grund hierfür mitgeteilt wird. Der Nutzer muss dann eine Möglichkeit zur Stellungnahme haben, an die sich eine erneute Entscheidung des Anbieters mit der Option anschließt, einem entfernten Beitrag wieder zugäünglich zu machen. Diesen Anforderungen genügen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook aber nicht, weil darin ein verbindliches Vorgehen vorgesehen ist. Die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte sind daher als unwirksam zu betrachten. Insoweit hat sich das Oberlandesgericht den bereits begangenenen Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 29.07.2021 (Az.: III ZR 179/20 und III ZR 192/20) angeschlossen.
Nur wenn der Kläger strafbare Inhalte gepostet hätte, was aber nicht der Fall war, wäre eine Löschung dieser Beiträge und eine Sperrung des Nutzerkontos dennoch möglich gewesen. Denn bei strafbaren Inhalten ist der Anbieter eines sozialen Netzwerkes bereits aufgrund der gesetlichen Vorgaben im Telemediengesetz und im Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet.
Allgemein gilt: Eine vorherige Abmahnung ist nur in eng begrenten Ausnahmefällen entbehrlich, etwa bei besonders gravierenden Vertragsverletzungen oder bei offensichtlicher Zweckloskeit der Abmahnung. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Parteien ist es erforderlich, dass der Nutzer über die beabsichtigte Kündigung des Nutzervertrages informiert, ihm den Grund hierfür mitteilt und ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird.
Das Oberlandesgericht hat in dem entschiedenen Fall die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
[OLG Karsruhe, Urteil vom 04.02.2022, AZ.: 10 U 17/20]